Die Friedensverträge der Entente mit den ehemaligen Mittelmächten.
Memoranden, Protokolle, Grenzregelungsabkommen, Kriegszielprojekte
zwischen November 1918 und 1923
Der Zusammenbruch der Österreich-Ungarischen Monarchie
und der anderen Ancién Régimes im östlichen und südöstlichen Europa
wie dem zarischen Rußland und dem Osmanischen Reich führte zu teilweise
erheblichen territorialen Zugewinnen durch einige Staaten des
südöstlichen Europa (Griechenland, Rumänien das neukonstituierte
Jugoslawien) und zu einer Neugründung, Wiederbegründung beziehungsweise
Verselbständigung von Staaten vornehmlich im östlichen und
nordöstlichen Teil Mitteleuropas (Lettland, Estland, Finnland, Litauen,
Polen, Ungarn, Österreich, Ungarn, Tschechoslowakei).
Eine Vielzahl von neuen inner- und zwischenstaatlichen
Konflikten prägte bereits die unmittelbare Nachkriegszeit. Mit
propagandistischen Mitteln, Gewalt, Sachargumenten und aufgrund
realpolitischer Gegebenheiten versuchten staatliche Vertreter,
Nationalitätenpolitiker und Fachspezialisten aller Art auf die
Friedensverhandlungen in Paris einzuwirken. Einige Expertenkommissionen
versuchten sich - meist im Auftrag der Entente - ein möglichst
unabhängiges Bild von den tatsächlichen Verhältnissen zu machen. Die
komplexe Friedensordnung die in erster Linie von Großbritannien,
Frankreich und Italien in Ostmittel- und Südosteuropa zwischen 1919 und
1923 durchgesetzt wurde, entsprach somit äußerst heterogenen
Willensbildungsprozessen. Für Ungarn und die moderne ungarische Nation
hatte die neue Friedensordnung die sich in diesem Falle bis in die
Gegenwart auswirkt einschneidende Veränderungen. Neben dem Verlust von
rund zwei Dritteln des Territoriums, befanden sich erstmalig in der
Geschichte des Landes größere Teile der Magyaren – rund ein Drittel -
außerhalb der Staatsgrenzen. Im Kontrast dazu fand sich der größte Teil
der Polen, nach rund 150jähriger Aufteilung des Staatesgebietes unter
drei Großmächte wieder in einem nun nationalpolnisch ausgerichteten,
aber multiethnischen Staatsgebiet wieder.
Im Mittelpunkt dieser Quellensammlung stehen die
Friedensverträge zwischen der Entente und den ehemaligen Mittelmächten
beziehungsweise im Falle von Österreich, Ungarn und der Türkei ihrer
Nachfolgestaaten. Daneben finden sich zahlreiche Fallbeispiele gerade auch
für nicht realisierte Vorstellungen hinsichtlich einer territorialen und
politischen Neuordnung des Gesamtraumes bis hin zu detaillierten
Grenzziehungs- und Grenzregelungsfragen. Dazu kamen sich als dauerhaft
massiv wirkmächtig erweisende ökonomische, verwaltungstechnische,
strukturelle und nicht zuletzt kulturpolitische Umbrüche. Die oft heftig
umstrittene detailgenaue Umsetzung dieser Vertragswerke beschäftigte
Völkerrechtler und internationale Kommissionen teilweise noch bis in die
1930er Jahre. Zu diesen miteinander verknüpften Themenfeldern finden sich
in dieser Quellensammlung aussagekräftige Quellenzeugnisse mit
Fallbeispielcharakter.
(Meinolf Arens)
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